Wir sind nun schon mehr als ein halbes (21.11.2022) Jahr in China. Am 21.05.2022 sind wir in Qingdao gelandet, um dort drei Wochen Hotelquarantäne zu machen, bevor wir unser endgültiges Ziel in China – Zhuhai – erreicht haben. Danach waren wir noch einmal ein paar Wochen in einem Hotel, bevor wir in unsere Wohnung ziehen konnten. Seitdem haben wir schon ein bisschen angefangen China zu erkunden und chinesisch zu lernen – und nun ist schon etwas mehr als 1/6 unserer Zeit in China rum!
Ich würde sagen, wir sind aktuell in einer Phase, in der man sagen kann, dass wir schon ganz gut angekommen sind und uns eingelebt haben. Und doch gibt es immer noch einige Dinge, die „neu“ sind oder an die man sich noch nicht gewöhnt hat (und vielleicht auch nicht gewöhnen wird). Die letzten 4 Wochen zeigen das besonders deutlich. Wir mussten für ein paar Tage wieder jeden Tag testen gehen, da man ohne ein negatives 24h-Testergebnis nirgendwo mehr reinkam. Auch für unseren Compound wurde das angekündigt, sodass wir natürlich jeden Tag testen waren (kontrolliert hat uns beim Compound dann aber niemand). Auch der Gedanke, dass vielleicht doch mal ein Notfall eintritt und man ins Krankenhaus muss (oder einfach nur zum Arzt, was hier auch Krankenhaus bedeutet) hat uns natürlich zum täglichen Testen bewogen. Und dann? Dann wurde die ganze Testerei plötzlich aufgelöst. Einfach so. Man brauchte plötzlich keinen Health Code mit einem negativen Testergebnis mehr vorzeigen, wenn man irgendwo rein wollte. Von einem Tag auf den anderen waren fast alle Teststationen weg. Ob dies an den Protesten lag, die ihr bestimmt in den Nachrichten verfolgt habt? Oder war COVID19 einfach schon außer Kontrolle geraten und es blieb keine Alternative? Wir wissen es nicht (aber dass hier überhaupt Leute protestiert haben, sagt schon einiges. Hier geht man nicht einfach auf die Straße und demonstriert wie wir das aus Deutschland kennen. Hier kann das schwere Konsequenzen haben.).
Die PCR-Tests, die vorher noch kostenlos waren, kosten nun Geld (aber wirklich nicht viel). Personen, die nur leichte Symptome haben, werden sogar dazu angehalten, zur Arbeit zu gehen – trotz COVID19-Infektion (dazu muss man übrigens auch erwähnen, dass die Chinesen nicht – wie wir – einfach zu Hause bleiben können, wenn sie krank sind. Teilweise haben sie 5 Krankheitstage pro Jahr und dann gibt es kein Gehalt mehr oder sie müssen Urlaub nehmen). COVID19 ist hier nun nur noch eine Erkältung – nach 3 Jahren „wer COVID19 bekommt wird sterben oder zumindest langfristige Folgen davon tragen“. Hier ist nun auch tatsächlich so gut wie jeder infiziert. Das uns bekannte „Flatten the Curve“ wird nicht verfolgt, stattdessen werden Stationen aufgebaut, an denen man Fiebermedikamente kaufen kann. COVID19 bekommen im Land der „Null-COVID-Politik“? Von einem Tag auf den anderen ist das möglich!
Als wir in China ankamen, haben wir noch gesagt, dass wir uns hier in China anstrengend müssen, um uns zu infiziieren. Bei 10 Positiv-Fällen (in einer 2,5 Millionenstadt) ging hier schon die Post ab, und nun juckt es plötzlich keinen mehr. Die Lieferdienste sind bereits zusammen gebrochen (zu viele Krankheitsfälle unter den Fahrern), was hier schon einiges heißt, da man hier einfach alles liefern lassen kann und auch liefern lässt. Einerseits ist diese 180-Grad-Wende erschreckend, andererseits ist es eine Erleichterung zu wissen, dass man nicht mehr in eine zentrale Quarantäneeinrichtung abstransportiert wird, wenn man positiv ist – oder auch nur Verdachtsfall ist (ja, abtransportiert ist das richtige Wort, und das konnte auch mal mitten in der Nacht passieren). Vielleicht deutet nun alles auf eine Öffnung Chinas hin. „Vielleicht“ – ihr seht, wir sind schon ganz chinesisch unterwegs! Lege dich nie fest, du weißt nie, was über Nacht beschlossen wird. Wir nennen das hier „Flexibilität“.
Tatsächlich erleben wir nun hautnah die Erklärung dafür, warum Chinesen – so unsere Erfahrungen – sich selten klar äußern und ungerne Verantwortung für etwas übernehmen. Das kann anstrengend sein, aber ist letztendlich auch einfach eine Anpassung an die äußeren Gegebenheiten. Was lernt man stattdessen? Feuer löscht man erst dann, wenn sie brennen! 😉
Das COVID19-Thema ist hier zwar ein großes Thema für sich, aber China hat ja auch noch mehr als das. Hier gibt es zum Beispiel richtig gutes Essen! Das Essen hier ist soooooo gut!! Wir haben bereits Lieblingsrestaurants, die wir euch unbedingt zeigen möchten. China ist auch so vielseitig – Berge, Strand, Meer, Wüste, Schnee, Sonne, Tradition, Moderne, Pandas! Vor allem landschaftlich hat uns dieses Land schon sehr beeindruckt und es gibt noch einige Orte, die wir gerne besuchen und sehen möchten!
Auf den Straßen gibt es kaum Müll. Und keine Blätter. Hier wird alles direkt weggeräumt. Beim Müll ist das toll, aber was die Blätter angeht, fehlt doch irgendwie das Knirschen unter den Füßen. Kein Blatt auf dem Boden bedeutet aber auch, dass jemand einen Arbeitsplatz hat. Was ist noch ungewohnt? Chinesen haben keinen Geschirrspüler. Stattdessen gibt es hier ein Teil, welches das Geschirr desinfiziert. Bei den meisten Expats ist es einfach weiterer Stauraum, bei uns ist es unangetastet und bleibt ganz stumpf zu. Ich hatte keine Lust es zu putzen, es riecht aber zu chemisch als dass ich es aktuell nutzen möchte. Wir werden sehen, ob ich es noch putze oder in 2,5 Jahren sage „achja, das wollte ich doch eigentlich auch mal sauber gemacht haben“. 😉 Zur Grundausstattung einer chinesischen Küche gehört übrigens auch kein Backofen. Aber eine Mikrowelle gibt es überall! Aber mal ganz ehrlich, kein Backofen? Wie soll man da etwas anständig mit Käse überbacken? Oder Kuchen und Kekse backen? Unsere Mikrowelle steht nun also in der Rumpelkammer und musste einem Backofen weichen. Der ist zwar klein (ich kann 6 Muffins oder 16 Kekse gleichzeitig backen!:-) ), aber ich liebe ihn!!!
Was manchmal sehr energieraubend sein kann, ist das Verständigungsproblem. Ohne Handy ist man häufig aufgeschmissen und total abhängig von Übersetzungsprogrammen, da Englisch sprechende Chinesen die Ausnahme sind. Tatsächlich hat mich in unseren ersten Wochen in unserem Compound eine chinesische Mutter auf dem Spielplatz angesprochen und mein Gehirn war so auf „ich kann kein Chinesisch“ eingestellt, dass ich ihr auf Englisch gesagt habe, dass ich kein Chinesisch spreche. Tja, sie hat aber gar kein Chinesisch mit mir gesprochen, sondern Englisch! Sie hat mir erzählt, dass sie für jedes ihrer drei Kinder eine ayi hat (was hier eine Dame für alles ist – Kinder betreuen, kochen, putzen, …) und das mit drei Kindern gar nicht anders geht. Ganz diplomatisch war ich, habe gelächelt und insgeheim an meine Mama und meine Schwiegermutter gedacht, die drei Kinder großgezogen haben. Sie war sehr nett und meinte dann, ihr Sohn und Aurelia könnten Freunde sein. Dann lief ihr Sohn in Schlitzhose an mir vorbei (manche chinesische Kinder tragen keine Windeln, sondern Schlitzhosen, also eine Hose, die vorne und hinten offen ist). Vorne und hinten guckte somit etwas raus, was man nicht unbedingt sehen möchte und schon gar nicht auf einem Spielplatz. Mein kleiner persönlicher Wertekonflikt hinsichtlich Hygiene und Vorteile einer Windel war für mich in dem Moment noch nicht überwindbar, und unter uns: ich weiß nicht, ob ich kulturell jemals soweit sein werde, dass ich Schlitzhosen mögen werde. Ihr könnt es euch denken: Aurelia und der junge Mann sind keine Freunde, ich konnte Aurelia und mich nämlich ganz geschickt aus der Situation retten als eine weitere Familie auftauchte, die sowohl die Chinesin als auch ich kannten. Vielleicht nächstes Mal 😉 Aber zurück zum Chinesisch: Diese Sprache hat es wirklich in sich, aber wir machen Fortschritte! Wir können auf Chinesisch bspw. nach einem Baby-Hochstuhl im Restaurant fragen, eine Schüssel Reis für Aurelia bestellen, Kaffee bestellen, zählen, sagen, dass wir aus Deutschland kommen, wie wir heißen und – ganz wichtig – „ich verstehe nicht“. Benutzen wir hier sehr häufig. Noch! Die chinesische Sprache ist übrigens sehr bildhaft, was mir persönlich sehr gut gefällt. Die Zahl 4 ist bspw. eine Unglückszahl, weil sie ähnlich klingt wie das Wort für „sterben“. Dazu gibt es auch eine witzige Story unserer Chinesisch-Lehrerin: Ein ehemaliger Schüler von ihr, der ebenfalls Deutscher war, hatte einmal in Gedanken zu einem Taxifahrer „Tschüss“ gesagt. Ungünstig ausgesprochen kann das auf chinesisch allerdings klingen wie „geh sterben“. Fand der Taxifahrer wohl doof.
Unser Fazit bisher ist auf jeden Fall, dass wir uns mittlerweile gut zurecht finden, dass dieses Land aber auch ein Erlebnis für sich ist. Wer hätte je gedacht, dass ich mal bei 26 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit Weihnachtskekse backen würde, während im Hintergrund die Fußballweltmeisterschaft läuft – im November?! Es gibt hier natürlich auch immer wieder Momente, in denen man sich die Hand vor den Kopf haut und denkt „echt jetzt?“, aber manchmal können wir auch schon über diese Momente lächeln und an die zwei Sätze denken, die jedem neuen Expat hier mitgegeben werden: „Welcome to China“ und „That’s China“. 😉
Ja es ist schon seltsam mit den Weihnachtsvorbereitungen bei sommerlichen Temperaturen. Ich habe auch in Kenia Adventskränze in kurzer Hose geflochten. Statt Tanne musste eine Art Tuja herhalten. Es hat aber immer allen Spaß gemacht. Einmal haben wir auch ein pfefferkuchenhaus gebacken. In Somalia haben wir nach Tannenähnlichem Grünzeug gesucht, leider vergeblich. Später wurde dann ein künstlicher Weihnachtsbaum beschafft. Was immer schön war, war das Weihnachtsfest in der deutschen Botschaft. Einmal habe ich dort unter einer geschmückten Palme die Weihnachtsgeschichte vorgelesen.
Das sind eben zusätzliche unvergessliche Erinnerungen.